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Bypasschirurgie

Grafik Bypasschirurgie

Das Herz ist ein großer Muskel, der das Blut durch den Körper pumpt. Wie alle anderen Muskeln wird auch der Herzmuskel von Blutgefäßen versorgt. Diese laufen kranzförmig um den Herzmuskel herum und heißen deshalb auch Herzkranzgefäße oder Koronarien (Korona lateinisch= Kranz).

Kommt es zu Verengungen oder Verschlüssen der Koronararterien, kann eine Bypassoperation notwendig werden. Bypass ist das englische Wort für Umleitung. Im Rahmen einer Bypassoperation werden Engstellen oder Verschlüsse von Herzkranzgefäßen mittels solcher Umleitungen umgangen, sodass die hinter den Engstellen liegenden Anteile des Herzmuskels wieder ausreichend mit Blut versorgt werden können. Die zu Grunde liegende Erkrankung solcher Engstellen oder auch Verschlüsse der Herzkranzarterien ist in den meisten Fällen eine koronare Herzkrankheit (KHK).

Bei der koronaren Herzerkrankung kommt es aufgrund verschiedener Mechanismen zu einer Verengung oder auch zum Verschluss von Herzkranzgefäßen. Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Todesursache in den Industrieländern. Sie betrifft ungefähr doppelt so viele Männer wie Frauen. In Deutschland sterben jährlich ca. 150.000 Menschen an den Folgen der koronaren Herzkrankheit.

Die für die Erkrankung typische Beschwerdesymptomatik ist die Angina pectoris. Dabei handelt es sich um vorwiegend hinter dem Brustbein lokalisierte Schmerzen, die durch körperliche und psychische Belastung ausgelöst werden können und meist von kurzer Dauer sind. Die Schmerzen können ausstrahlen zum Hals, in die Schultergegend und in den linken Arm. In einigen Fällen können solche Beschwerden auch fehlen. Dies ist insbesondere bei Patienten mit Zuckerkrankheit der Fall.

Zu den Risikofaktoren zählen: hoher Blutdruck, Zigaretten rauchen, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus, Übergewicht oder auch familiäre Vorbelastung. Das Risiko zur Ausbildung einer koronaren Herzerkrankung steigt mit zunehmender Zahl der Risikofaktoren exponentiell an. Die Diagnose einer koronaren Herzkrankheit kann im Herzkatheter gestellt werden. Hierbei werden die Herzkranzgefäße mit einem Katheter mit Kontrastmittel angespült und im Röntgenbild dargestellt.

Tiefergehende Informationen zur koronaren Herzerkrankung und deren Behandlung bietet Ihnen die Webseite patienten-information.de und die Patienteninformation "PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie", die wir Ihnen hier zum Download anbieten.

Download Leitlinie

Als Bypassmaterial am Herzen können verschiedene Gefäße verwendet werden:

Brustwandarterien

Zumeist wird die linke Brustwandarterie als Bypassmaterial verwendet. Im Rahmen der Herzoperation kann diese Arterie von der Brustwand abpräpariert werden. Anschließend wird das fußwärts gelegene Ende der Brustwandarterie abgetrennt und hinter der Engstelle der Kranzader aufgenäht. Seltener werden auch beide Enden der Brustwandarterie durchtrennt und das Gefäß als so genannter Freegraft verwendet. Dabei wird das kopfwärts gelegene Ende in den Aortenbogen eingenäht. Die linke Brustwandarterie besitzt von allen Bypassgefäßen die beste Langzeitprognose.

Stammvenen des oberflächlichen Venensystems aus Unter- und Oberschenkel

Das sauerstoffarme Blut wird aus den Beinen über ein tiefes und ein oberflächliches Beinvenensystem zurück zum Herzen geführt. Ist das tiefe Beinvenensystem intakt, kann die Stammvene des oberflächlichen Venensystems als Bypassmaterial verwendet werden. Das ist nicht möglich bei starken Krampfadern. Das eine Ende der Vene wird hinter der Engstelle des betroffenen Herzkranzgefäßes aufgenäht und das andere in die Aortenwurzel eingenäht.

Wir entnehmen die Beinvene mittels endoskopischer Technik, bei der nur minimale Hautschnitte zum Präparieren der Vene notwendig sind. Es kommt dadurch zu einem sehr guten kosmetischen Ergebnis. Komplikationen wie z. B. Wundinfekte nach Minivenen-Entnahme sind extrem selten.

Unterarmarterien (Arteria radialis)

Es gibt zwei große Unterarmarterien, die Arteria radialis und die Arteria ulnaris. Für die Bypassoperation wird die Arteria radialis verwendet. Vor der Entnahme wird über den so genannten ALLEN-Test sichergestellt, dass eine ausreichende Blutversorgung der Hand über die Arteria ulnaris besteht. Die Arteria radialis als Bypassmaterial wird insbesondere in zwei Fällen verwendet:

  • Bei jungen Patienten, da arterielle Bypässe im Vergleich zu Venen-Bypässen bei hochgradigen Verengungen der Herzkranzgefäße längere Offenheitsraten gezeigt haben.
  • Bei älteren Patienten, wenn aufgrund von Voroperationen oder z. B. von Krampfadern kein anderes Bypassmaterial zur Verfügung steht.

Neben arteriellen Bypässen werden nach wie vor die meisten Bypässe mit Venen angelegt. Als besonders geeignet hat sich eine spezielle Beinvene, die Vena saphena magna, herausgestellt. Des Weiteren kommt die Unterschenkelvene Vena saphena parva als Bypassgefäß in Frage. Armvenen werden nur in Ausnahmefällen verwendet, da diese im Vergleich zu Beinvenen deutlich kürzere Offenheitsraten haben.

Die Vena saphena magna wird im Allgemeinen durch einen durchgehenden Hautschnitt im Unterhautfettgewebe freipräpariert und in ihrer gesamten Länge entnommen. Diese traditionelle Präparationstechnik ist mit einer nicht zu vernachlässigenden Rate von Wundheilungsstörungen verbunden. 

Um die Komplikationen zu verringern, haben wir eine endoskopische Operationstechnik entwickelt, die Wundheilungsstörungen reduziert und außerdem zu einem verbesserten kosmetischen Resultat führt. Wir entnehmen das bis zu 65 cm lange Venensegment mittels nur einem einzigen 2 bis 3 cm kleinem Schnitt. Dafür verwenden wir einen gemeinsam mit der Firma Storz entwickelten Subkutanretraktor (Modell Freiburg®, Storz, Tuttlingen), der ein 40° Endoskop mit Kaltlichtquelle enthält und mit einer 3-Chip Kamera verbunden ist.

Wir sind insbesondere bei jüngeren Patienten bemüht, komplett körpereigene Arterien als Material für die koronare Bypass-Chirurgie zu verwenden. Diese sind den arteriellen Blutdruckverhältnissen angepasst und weisen somit eine Elastizität auf, die ein Venen-Bypasses nicht leisten kann. Damit einher geht eine bessere Offenheitsrate der arteriellen Bypässe, die sich vor allem im Langzeitverlauf zeigt.

Wir verwenden sowohl die linke Brustbeinarterie, die sich in der koronaren Bypass-Chirurgie als Standardversorgung etabliert hat, als auch die rechte Brustbeinarterie sowie die Unterarmarterie (Arteria radialis). Für die Präparation der rechten Brustbeinarterie haben wir gemeinsam mit der Firma Karl Storz in Tuttlingen ein Sperrersystem entwickelt, den sogenannten Multiretraktor nach Schöllhorn. Damit können wir diese Arterie in gleich hoher Qualität wie die linke Brustbeinarterie durch spiegelbildliches Umsetzen des Sperrersystems präparieren. 

Durch die Verwendung beider Brustbeinarterien und der Unterarmarterie ist eine komplette arterielle Bypass-Versorgung des gesamten Herzens möglich. Die komplette arterielle Revaskularisation des Koronarsystems ist zwar technisch etwas anspruchsvoller, aber insbesondere für jüngere Patienten wegen der prognostisch besseren Ergebnisse zu bevorzugen.

Da bei bestimmten Patienten der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine besondere  Risiken mit sich bringt, wurden mehrere Techniken entwickelt, die darauf und insbesondere auf den kardioplegischen Herzstillstand verzichten. Diese minimal-invasiven Verfahren ermöglichen Operationen am schlagenden Herzen.

OPCAB-Operation (off-pump coronary artery bypass)

Wie bei der Standardtechnik wird meist die linke Brustwandarterie auf das Herzkranzgefäß der Vorderwand umgeleitet, um die Durchblutung hinter der Verengung sicherzustellen. Darüber hinaus können weitere Bypässe angelegt werden. Anhand der Brustbeinnarbe ist später nicht ersichtlich, ob nach konventioneller Technik oder im OPCAB-Verfahren operiert wurde. Wir führen die OPCAB-Technik seit 1999 durch.

MIDCAB-Operation (minimally invasive direct coronary artery by-pass)

Im Gegensatz zur herkömmlichen Methode und zur OPCAB wird das Brustbein nicht durchtrennt. Stattdessen erfolgt der Zugang über einen Schnitt links unterhalb der Brust. Ebenso wie bei den vorgenannten Techniken wird bei der MIDCAB die linke Brustwandarterie auf das Herzkranzgefäß der Vorderwand umgeleitet, womit die Herzmuskeldurchblutung hinter der Verengung sichergestellt wird. Beim MIDCAB-Verfahren wird nur die Brustwandarterie als Bypass verwendet, damit können 1-2 Herzkranzgefäße angeschlossen werden. Wir führen die MIDCAB-Technik seit 1996 durch.