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Mitralklappenchirurgie

„Für den allgemeinen Arzt sind angeborene Herzerkrankungen von extrem geringem Interesse. Die Fälle, die das Erwachsenenalter erreichen, sind äußerst selten.“

Sir William Osler (1849-1919)

„Chirurgen, die den Versuch machen, am Herzen zu operieren, können nicht mehr auf den Respekt von Kollegen hoffen.“

Theodor Billroth (1829-1894)

"Surgery of the heart has probably reached the limit set by nature to all surgery; no new method and no new discovery can overcome the natural difficulties that attend a wound of the heart”

Sir Stephen Paget (1855-1926)

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die chirurgische Behandlung von Herzerkrankungen von einigen namhaften Chirurgen als nicht möglich betrachtet. Theodor Billroth sagte sogar, dass „Chirurgen, die den Versuch machen, am Herzen zu operieren, können nicht mehr auf den Respekt von Kollegen hoffen“. Sir Stephen Paget sagte während dieser Zeit voraus, dass die Chirurgie des Herzens wahrscheinlich die natürlich gesetzte Grenze aller Chirurgie darstellt, die durch keine neue Methode oder Entdeckung verschoben werden kann.

1897 berichtete Ludwig Rehn erstmals über eine erfolgreiche chirurgische Herznaht nach einer penetrierenden Stichverletzung1. Diese Operation stimulierte die theoretische Auseinandersetzung mit der chirurgischen Therapie von Herzerkrankungen. 1898 spekulierte Samways, dass mit dem Fortschritt in der Chirurgie des Herzens zukünftig auch schwerste Fälle von Mitralklappenstenosen operiert werden könnten2. Mitralklappenstenosen waren in dieser Zeit aufgrund des vielfachen Auftretens von rheumatischem Fieber und rheumatischen Herzerkrankungen häufig und keiner medikamentösen Therapie zugänglich. Samways hatte sich zuvor intensiv mit den Bewegungsabläufen des Herzens beschäftigt und am großen langsam schlagenden Pferdeherz die Beobachtung gemacht, dass die rhythmischen Kontraktionen der Herzohren von einer Kontraktion der Herzkammern gefolgt wurden.

1902 gab Sir Lauder Brunton erstmals konkrete Vorschläge wie die Operation einer Mitralklappe aussehen könnte3. Er spekulierte, dass ein Zugang über die linke Herzkammer bevorzugt werden sollte, da hier die Wand im Vergleich zum linken Vorhof dicker ist, und machte den Vorschlag, dass eine Mitralklappe mit hochgradiger Stenosierung gesprengt werden könnte.

Die Mitralchirurgie vor Einführung der Herz-Lungen-Maschine

Duff S. Allen entwickelte 1922 mit Graham ein Instrument, das eine geschlossene Operation an der Herzklappe unter Sicht ermöglichen sollte4. Dieses von ihm Kardioskop genannte Instrument bestand aus einer Metallröhre, an deren Ende eine Linse lag. Diese Metallröhre sollte in die Herzkammer eingeführt werden und über die am Ende liegende Linse sollten kardiale Strukturen erkennbar sein. Zusätzlich sollte es die Möglichkeit bieten, über die Röhre Instrumente einzubringen, mit denen Eingriffe an der Herzklappe vorgenommen werden konnten. Mit diesem Gerät wurde eine Operation an einer Patientin in drei Schritten durchgeführt: bei der ersten Operation wurde in lokaler Betäubung nur die Thoraxwand eröffnet bis hin zur Pleura. In der zweiten Operation wurde die Pleura eröffnet. Diese führte jedoch zu einer drastischen Verschlechterung des Zustandes der Patientin, so dass die Sitzung abgebrochen wurde. Ca. 1 Monat später wurde dann die dritte Operation durchgeführt. Die Einführung des Kardioskops bereitete jedoch enorme Schwierigkeiten. Das Instrument wurde durch die Wand des Vorhofs eingeführt, was zu einer dramatischen Verschlechterung des Zustands der Patientin führte und zu einem Abbruch des chirurgischen Eingriffs.

Nach 2 Jahren intensiver Forschung gelangen Cutler und Levine 1923 erstmals eine erfolgreiche Operation an der Mitralklappe, die der Patient überlebte5. Es handelte sich hierbei um ein 12 Jahre altes Mädchen, welches bereits ein halbes Jahr vor der Operation bettlägerig war. Es wurde zunächst eine mediane Sternotomie durchgeführt und dann nach Eröffnen des Herzbeutels über die Herzspitze ein kleines, sich an einem langen Griff befindliches Messer (Tenotom) eingeführt. Nun wurden ohne Sicht 2 Schnitte platziert. Der erste Schnitt, da wo man die vordere Kommissur vermutete und der zweite Schnitt, wo man die hintere Kommissur vermutete. Anschließend wurde das OP-Ergebnis mit einem sterilen Stethoskop überprüft. Das Befinden der Patientin besserte sich deutlich und das Mädchen konnte am 12. postoperativen Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden. In der Folge entwickelte Cutler ein weiteres Instrument, das er Kardiovalvulotom nannte.

Mit Tenotom und Kardiovalvulotom operierte Cutler weitere 7 Patienten, von denen jedoch keiner den Eingriff überlebte.

1925 führte Souttar eine Mitralklappensprengung mit dem Finger über das linke Herzohr durch6. Der chirurgische Zugang ist in der Abbildung dargestellt. Es wurde die gesamte linke Brust vom Thorax abpräpariert und mehrere Rippen durchtrennt, um Zugang zum linken Herzohr zu erlangen. Der Eingriff wurde von dem Patienten überlebt und es wurde von einer deutlichen Erholung des eingeschränkten Allgemeinzustandes berichtet.

In der Folge kam es zu erheblichen Fortschritten in Bezug auf Anästhesie und auf chirurgische Verfahren, die durch tierexperimentelle Forschung immer weiter verfeinert wurden. Auch führten Erfolge auf anderen Gebieten der Herzchirurgie zur Wiederaufnahme der Mitralklappenchirurgie.

1948 entwickelte Horacy Smithy ein eigenes Valvulotom, das eine Klappenstanzung über die Herzspitze ermöglichte7. Smithy setzte dieses Instrument erfolgreich an einem Patienten ein. Da Smithy selbst an einer rheumatischen Herzerkrankung mit schwerer Aorten- und Mitralstenose litt, war geplant, diese Prozedur durch einen anderen Chirurgen bei ihm selber durchzuführen. Smithy starb jedoch an den Folgen seiner Grunderkrankung 1948, bevor dieser Eingriff durchgeführt werden konnte.

1948 führte Harken ein Kommissurotomiemesser ein, das über den linken Vorhof eingeführt wurde8. Zudem verwendete er umgekehrte Scheren, um eine Kommissurotomie durchzuführen.

1949 führte Bailey ein Messer ein, das mit dem Zeigefinger durch die Ventrikelspitze eingebracht werden konnte9.

1950 arbeiteten zeitgleich die Chirurgen Baker, Brock und Campbell an einem chirurgischen Zugang über das linke Herzohr, bei dem sowohl der Finger als auch ein Valvulotom zur Mitralklappensprengung verwendet wurde10.

Murray benutzte 1950 ein Kardioskop, durch das er zunächst eine Ausstanzung der Mitralklappe durchführte, wie zuvor von Smithy beschrieben11. Anschließend brachte er mit einer großen Nadel ein auf die Sehne des Musculus palmaris longus gespanntes Venenstück durch die Ventrikelwand ein, mit dem Ziel, dass dieses Venenstück bei jeder Herzkontraktion das eingebrachte Stanzloch verschließt.

Templeton und Gibbon führten 1949 experimentell Operationen an der Mitralklappe unter direkter Sicht durch12. Dies gelang durch die Abklemmung beider Hohlvenen. Es hatte sich vorher in tierexperimentellen Versuchen gezeigt, dass eine vollständige Abklemmung beider Hohlvenen für 9 Minuten ohne neurologische Komplikationen durchgeführt werden kann. Es wurden dann Neoklappensegel aus Perikard oder autologer Vene in die Mitralklappe eingenäht.

Die Mitralchirurgie nach Einführung der Herz-Lungen-Maschine

Diese chirurgisch schwer kontrollierbaren Verfahren erfuhren eine Revolution durch die Einführung der Herz-Lungen-Maschine 1954 von Gibbon13. Diese ermöglichte erstmals einen Eingriff am offenen Herzen unter vollständig kontrollierten Bedingungen: das Herz wurde mit speziell entwickelten Lösungen stillgestellt (Kardioplegie) und es konnten alle Herzhöhlen eröffnet und frei von Blut dargestellt werden.

In der Folge wurden daher auch wesentlich komplexere Eingriffe möglich und es konnten verschiedenste Pathologien der Mitralklappe behandelt werden. Es wurden verschiedenste mechanische Prothesen entwickelt und es wurden biologische Herzklappen entwickelt. Auch wurden rekonstruktive Techniken zur Behandlung von Mitralklappeninsuffizienzen eingeführt14. Carpentier revolutionierte schließlich in den 70ern die rekonstruktive Chirurgie der Mitralklappe, indem er die einzelnen Pathologien eindeutig klassifizierte und spezifische chirurgische Behandlungsmethoden aufzeigte15.

Tabelle 1 zeigt die Häufigkeiten des Auftretens von Mitralklappenerkrankungen entsprechend ihrer Ursache. Während Mitralstenosen, also verengte Herzklappen, aufgrund des verringerten Vorkommens von rheumatischem Fieber in der westlichen Welt heutzutage wesentlich seltener vorkommen (28%), bilden Insuffizienzen (72%), d.h. undichte Klappen, den häufigsten Fehler der Mitralklappe).

Tabelle 1. Ursachen von Mitralklappenerkrankungen gemäß Euro Heart Survey 16

Mitralklappeninsuffizienz (n=877) Mitralklappenstenose (n=336)
Degenerativ
(myxomatös/FED)
61,3% Rheumatisch 85,4%
Rheumatisch 14,2% Sonstige 14,6%
Ischämisch 7,3%    
Kongenital 4,8%    
Endokarditis 3,5%    
Sonstige 8,9%    

Mitralklappeninsuffizienz

Bei der Entstehung der Mitralinsuffizienz werden grundsätzlich zwei verschiedene Ursachen unterschieden, die für Diagnostik, therapeutisches Konzept und postoperative Prognose relevant sind. Abb. 1A zeigt einen einen normalen Mitralklappenkomplex. Abb. 1B zeigt einen Mitralklappenkomplex bei einer primären Mitralinsuffizienz. Bei dieser Form der Insuffizienz führen Veränderungen der Segel oder der primären Sehnenfäden zu einer Klappenundichtigkeit. Am häufigsten ist eine isolierte Veränderung (Prolaps) des hinteren Segels aufgrund eines Sehnenfadenabrisses (Abb. 1B) oder einer Sehnenfadenelongation. Es kann jedoch auch zu einem Prolaps nur des vorderen Segels oder beider Segel kommen. Abb. 1C zeigt einen Mitralklappenkomplex bei einer sekundären Mitralinsuffizienz. Die sekundäre Mitralinsuffizienz ist gekennzeichnet durch Veränderungen in der Geometrie des Halteapparats (Mitralring, linke Herzkammer, Papillarmuskel) bei normaler Struktur der Klappensegel: im Rahmen einer Erweiterung der linken Herzkammer kommt es zu einem Zug an den sekundären Sehnenfäden, der die Koaptation der Segel verhindert 17. Dieser Zug der sekundären Sehnenfäden am Bauch des vorderen Segels führt zu einer typischen Zeltform des Segels während der Systole (‚Tenting’). Zusätzlich kommt es zu einer pathologischen Erweiterung des Mitralrings 18 sowie zu einer seitlichen Verlagerung der Papillarmuskel 19.

Abb. 1: Mitralkomplex unter physiologischen Verhältnissen (A), bei struktureller (B) und bei funktioneller (C) Mitralinsuffizienz. Blau markiert das vordere, rot das hintere Segel.

Mitralklappenstenose

Die normale Öffnungsfläche der Mitralklappe liegt zwischen 4-6cm2.  Eine Verkleinerung der Klappenöffnungsfläche kann verschiedene Ursachen haben (die häufigste ist das rheumatische Fieber (s.Tabelle 1)) und wird bei den meisten Patienten ab einer Fläche <1,5cm2 schlecht toleriert.  Der Anstieg des linksatrialen Drucks kann zu einer Vorhofvergrößerung mit eventuellen Rhythmusstörungen und einem Rückstau von Blut in die Lungenstrombahn mit Dyspnoe sowie über eine Verringerung des Schlagvolumens zu Symptomen eines Linksherzversagens führen.  Bei klinischer Symptomatik wird die chirurgische Therapie empfohlen.  Eine Kommisurotomie ist bei schwerer Mitralstenose ebenfalls möglich.  Die Ergebnisse dieser Therapieform sind jedoch weniger gut steuerbar und unter anderem aufgrund häufig auftretender relevanter, postinterventioneller Klappeninsuffizienzen häufig unbefriedigend.

Mitralklappeninsuffizienz

Bei Patienten mit einer primären, hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz ist die chirurgische Therapie indiziert bei Patienten, die eine Symptomatik aufweisen (d.h. Dyspnoe, Episoden von Vorhofflimmern oder pulmonaler Bluthochdruck), oder bei Patienten mit Zeichen einer linksventrikulären Dysfunktion (end-systolischer linksventrikulärer Durchmesser≥45mm, LVEF≤60%). Bei asymptomatischen Patienten mit einer primären, hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz ohne Zeichen einer linksventrikulären Dysfunktion wird nur dann zu einer Operation geraten, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Klappenrekonstruktion besteht. Bei der segelerhaltenden Rekonstruktionstechnik unter Verwendung von Gore-Tex Loops (s.u.) trifft dies zu für alle Patienten mit einer myxomatösen Grunderkrankung oder einer fibroelastischen Defizienz 20. Patienten mit verkalkten Mitralklappen haben dahingegen eine deutlich eingeschränkte Rekonstruktionswahrscheinlichkeit.

Bei Patienten mit primärer Mitralinsuffizienz führt eine Operation zu einer Wiederherstellung der Lebenserwartung und verringert signifikant das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen im Vergleich zu der konservativen Behandlung 21.

Bei der chirurgischen Therapie der strukturellen Mitralinsuffizienz ist in den meisten Fällen eine Rekonstruktion möglich. Abb. 2A zeigt eine Schemazeichnung des hinteren Segels mit Sehnenfadenabriß sowie die zwei wichtigsten chirurgischen Rekonstruktionskonzepte zur Behandlung einer strukturellen Mitralinsuffizienz: das erkrankte Gewebe wird entweder chirurgisch entfernt (‚Resect‘, Abb. 2B) und das Klappensegment anschließend wieder vernäht, oder das prolabierende Gewebe wird erhalten und mit Gore-Tex Fäden und Loops fixiert (‚Respect‘, Abb. 2C). Abb 3 zeigt Outcomes der beiden Verfahren aufgeschlüsselt nach den Pathologien: bei einem Prolaps des vorderen Segels oder beider Klappensegel kommt es bei der ‚Resect‘ Strategie zu deutlich mehr Re-Operationen 22 im Vergleich zu reinen Pathologien des hinteren Segels, während die Häufigkeit einer Re-Operation bei der ‚Respect‘-Strategie unter Verwendung von Gore-Tex Loops unabhängig von der Segelpathologie ist. Zudem legt eine kürzlich veröffentlichte Studie nahe, dass die ‚Respect‘-Strategie mit einer verbesserten postoperativen LV-Funktion assoziiert ist 23. Zur Sicherung des Rekonstruktionsergebnisses wird zusätzlich ein Annuloplastiering eingenäht. Abb. 4 zeigt eine rekonstruierte Mitralklappe mit Loop-Implantation und Ringannuloplastie.

Abb 2: Chirurgische Rekonstruktionskonzepte zur Behandlung einer strukturellen Mitralinsuffizienz bei Prolaps des hinteren Segels (A): das erkrankte Gewebe wird entweder chirurgisch entfernt (‚Resect‘, B) und das Klappensegment anschließend wieder vernäht oder das Gewebe wird erhalten und mit Gore-Tex Fäden vernäht (‚Respect‘, C).

Abb 3: Freiheit von Re-operationen bei Patienten mit primärer Mitralklappeninsuffizienz unter der Verwendung der ‚Resect‘[11] oder der ‚Respect‘ [9] Technik, aufgeschlüsselt nach der Pathologie (AL=vorderes Segel, PL=hinteres Segel, BL=beide Segel vom Prolaps betroffen).

Abb 4: Intraoperatives Bild einer rekonstruierten Mitralklappe.

Bei Patienten mit einer sekundären, mittel- bis hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz sind die Empfehlungen zur chirurgischen Therapie dann sicher gegeben, wenn die Patienten einer aortokoronaren Bypassoperation unterzogen werden oder bei Patienten, die trotz optimaler konservativer Therapie symptomatisch bleiben. Bei der chirurgischen Therapie der funktionellen Mitralinsuffizienz ist es derzeit nicht gesichert, ob eine Klappenrekonstruktion mit einer Ringannuloplastie besser ist als ein Ersatz 24. Dies liegt im Wesentlichen an einem Fortschreiten der linksventrikulären Dilatation mit Auftreten einer erneuten Insuffizienz nach der Ringannuloplastie in bis zu 30% der Fälle 25. Daher ist eine Ringannuloplastie mit einer Fixierung der Papillarmuskeln ein neuartiges Konzept, das vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf Langzeithaltbarkeit zu zeigen scheint 26. Abb. 5 zeigt die in Freiburg angewendete Strategie bei diesen Patienten, die in einer primären Rekonstruktion mit Annuloplastie und einer Approximierung der Papillarmuskeln besteht. Dieses Verfahren soll eine postoperative Veränderung der subvalvulären Geometrie verhindern und zeigt bei den ersten Patienten sehr stabile Ergebnisse 19. Bei der sekundären Mitralinsuffizienz führt eine Operation nicht zu einer Normalisierung der Lebenserwartung 27.

Abb 5: In Freiburg verwendete Technik zur Mitralrekonstruktion bei Patienten mit funktioneller Mitralinsuffizienz (Annuloplastiering plus subvalvuläres Verfahren, Schemazeichnung entnommen aus Ref 19).

Mitralklappenstenose

Die chirurgische Behandlung von Mitralklappenstenosen besteht in fast allen Fällen aus einem Klappenersatz. Ein Mitralklappenersatz bei exzessiver Verkalkung der Mitralklappe ist chirurgisch komplex. Die Verkalkungen können nicht nur die Plazierung der Nähte erschweren, sondern auch die Anlagerung des Gewebes an die eingebrachte Klappe (mit dem erhöhten Risiko einer paravalvulären Leckage)

Im UHZ werden jährlich 150-200 Patienten an der Mitralklappe operiert, davon mehr als die Hälfte minimal-invasiv.  In der modernen Mitralchirurgie ist der minimal-invasive Zugang über eine rechtsseitige Thorakotomie das Standardvorgehen (Abb. 6).  Bei diesem Verfahren wird die Herz-Lungen Maschine über die Leistengefäße etabliert.  Dieser Zugang zeigt hervorragende Ergebnisse in Bezug auf die postoperative Klappenfunktion 28 und Kosmetik.  Ausschlusskriterien für diesen Zugang sind eine insuffiziente Aortenklappe (insuffiziente Kardioplegie), eine Ektasie der Aorta ascendens (erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Aortendissektion), Verwachsungen der rechten Lunge oder schwere Adipositas (deutlich erhöhte Rate an Wundheilungsstörungen).  In diesen Fällen sollte eine Sternotomie bevorzugt werden.

Abb 6: Situs bei einer minimal-invasiven Mitralklappenrekonstruktion.  Der chirurgische Zugang erfolgt über eine rechtsseitige Thorakotomie.

Chirurgische Behandlung

Die oben beschriebene endoskopische Rekonstruktion der Mitralklappe ("Schlüsselloch"-Chirurgie) mit der Wiederherstellung einer normalen Anatomie ist seit vielen Jahren der Standard, insbesondere zur Korrektur des Mitralklappenprolaps (Abb. 1B).

Interventionelle Behandlung

Zusätzlich wurden in den letzten zehn Jahren kathetergestützte Verfahren etabliert. Bei diesen Verfahren wird ein Kathetersystem über eine Vene in der Leiste eingeführt und durch das Vorhofseptum in den linken Vorhof vorgeschoben (Abb. 7). Ein oder mehrere Clips werden dann angewendet, um entgegengesetzte Teile der beiden Mitralklappensegel dauerhaft zu verbinden und die Klappe so zu reparieren. Das Clip-Verfahren wird derzeit im Wesentlichen bei Patienten mit sekundärer Mitralklappeninsuffizienz (Abb. 1C) angewendet.

Mitralklappenprolaps – Chirurgie oder interventionelle Behandlung?

Bei Patienten mit einem Mitralklappenprolaps wurde das Clip-Verfahren bisher nur zur Behandlung von Patienten mit einem sehr hohen Operationsrisiko eingesetzt. Bei Patienten mit Mitralklappenprolaps und geringerem Operationsrisiko können unter bestimmten Bedingungen beide Methoden angewendet werden. Es fehlen jedoch noch vergleichende Daten zu kurz- und langfristigen Vorteilen.

PRIMARY-Studie

Die PRIMARY-Studie wird prospektiv, multizentrisch und international Patienten im Alter von 65 Jahren und älter mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz aufgrund eines Mitralklappenprolaps einschließen. Die Patienten werden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Hälfte wird in der Regel chirurgisch behandelt - meist endoskopisch. Die andere Gruppe wird mittels kathetergestützter Verfahren behandelt.

Das Studienteam wird drei Jahre nach der Behandlung überprüfen, ob die Patienten sich wohlfühlen oder erneut aufgrund eines Rückfalls der Mitralklappeninsuffizienz oder einer Herzinsuffizienz eingewiesen werden müssen. Darüber hinaus werden auch andere Ergebnisse des Eingriffs überprüft. Die PRIMARY-Studie bietet damit eine einzigartige Gelegenheit zu bestimmen, welche Methode langfristig besser ist. Deshalb werden die Patienten bis zehn Jahre nach der Behandlung weiter überwacht.

Neben dem UHZ werden 16 andere deutsche Zentren an der Studie teilnehmen. Insgesamt werden 1350 Patienten weltweit in die Studie aufgenommen.

Abb 7: Ein Kathetersystem wird über eine Vene in der Leiste eingeführt und durch das Vorhofseptum in den linken Vorhof vorgeschoben.

Ihre Ansprechpartner

Prof. Dr. Wolfgang Bothe
Oberarzt
Telefon: 0761 270-61290
E-Mail: wolfgang.bothe@uniklinik-freiburg.de

Sekretariat (Freiburg)
Beate Oberschild
Telefon: 0761 270-28810
Telefax: 0761 270-23680
E-Mail: beate.oberschild@uniklinik-freiburg.de

Sekretariat (Bad Krozingen)
Petra Tretow
Telefon: 07633 402-2601
Telefax: 07633 402-2609
E-Mail: petra.tretow@uniklinik-freiburg.de

Referenzen

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